TAG 2 – OCCUPY PUBLIC SPACE!
Die gerichtlich durchgesetzten Verbote der Stadt Frankfurt galten auch für das gestrige Christi Himmelfahrt. Unter dem Motto „Besetzt die öffentlichen Plätze“ waren im Rahmen von BLOCKUPY FRANKFURT viele schöne Aktionen geplant – nun mussten die Veranstalter umdenken und improvisieren.
Die ersten ‚Occupy‘-Aktionen dieser Tage wurden ja bereits durch die Ordnungskräfte effizient durchgeführt (siehe mein Bericht vom ersten Tag). Frankfurt zum Erlahmen zu bringen, wäre den Blockupy-Aktivisten sicher nicht besser gelungen!
Mein Weg führte mittags zuerst zum Hauptbahnhof. Dort eingetroffen, war bereits zu hören, dass die Polizei anreisende Busse schon weit vor den Toren Frankfurts anhalten liessen, durchsuchten und den Businsassen die Weiterfahrt nach Frankfurt untersagten.
Auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs, umringt von der allgegenwärtigen Polizei, fanden sich wieder Interessierte zusammen, die – trotz Lautsprecheransagen der Ordnungskräfte – Redebeiträge hielten. Ein alter Herr empörte sich öffentlich über die Versammlungs- und Demonstrationsverbote und verwies auf seine schlimmen Erfahrungen aus dem Dritten Reich, worauf er donnernden Applaus erhielt. Ein zweiter Sprecher betonte in Richtung der Polizei, dass man ja wisse, dass das Demonstrationsverbot ausgesprochen wurde, die Leute sich hier jedoch auch nur zufällig aufhalten würden und er die Situation nun spontan für einen Speaker’s Corner nutze. Zum Schluss seiner Rede teilte er mit, dass ja jetzt jeder Anwesende einen schönen Spaziergang durch das sonnige Frankfurt machen könne, und wer weiss, vielleicht träfe man sich zufällig auf dem Paulsplatz wieder. Sehr tricky, der gute Mann!
Bis auf einige Rucksack- und Taschenkontrollen hielten sich übrigens die Polizei- und BFE-Beamten am Hauptbahnhof wohltuend zurück. Dennoch stört mich das martialische Auftreten im ganzen Stadtgebiet sehr.
Da ich das Fahrrad dabei hatte und mich somit über die von der Polizei umfassend gesperrten Innenstadtstrassen erfreuen konnte, traf ich zeitig am Paulsplatz ein, so dass mich die erneute Wagenburgtaktik der Sicherheitskräfte noch nicht am Zutritt hindern konnte. Auf dem Weg dorthin immer wieder an mehreren Ecken zu sehen: Personen- und Gepäckkontrollen.
Der Platz mit der Paulskirche. Sinnbild für Demokratie und des ersten deutschen Parlamentes. Einen besseren Ort hätte es an diesem Tag für den Schrei nach Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit nicht geben können!
Kaum angekommen, begegnete ich der Bloggerin Carmen (umamibuecher.wordpress.com), die ebenfalls neugierig auf das weitere Geschehen war. Ansonsten auf dem Paulsplatz: Viel buntgemischtes Volk und alle Altersklassen, aber weit und breit keine vermeintlichen Randalierer und Chaoten.
Mittlerweile hatten die Einsatztruppen den Ring um die Demonstranten enger gezogen, ohne jedoch besonders bedrohlich aufzutreten – weitere Passanten wurden nicht mehr auf den Paulsplatz gelassen. Polizeiliche Durchsagen informierten über die Verbote, worauf sich die Protestierenden immer wieder im Chor lautstark auf das Grundgesetz und Verfassung beriefen.
Gegen 14.30 Uhr schien die Einsatzleitung gegen die wirklich friedlich versammelte Menschenmenge vorgehen zu wollen. Die Polizeigruppen rückten näher und kesselten uns ein – die Antwort der Demonstranten war jedoch immer wieder nur „Wir sind friedlich – was seid Ihr?“, „Da sind uns’re Steuergelder“ oder initiierte Human-Mics*. Nach einer halben Stunde war plötzlich zu bemerken, dass sich die Sicherheitskräfte durch die Reihen Zeichen gaben… und auf einmal zogen sich die Einsatzgruppen unter dem tosenden Beifall der Demonstranten zurück an den Rand der Wagenburg. Ein Sieg für Blockupy? Die Stimmung wurde auf jeden Fall wieder gelöster, die Menschen liessen sich in Gruppen nieder und freuten sich über den Teilerfolg.
Irgendwie tun mir die Polizeibeamten leid. Müssen in voller Kampfmontur in der Sonne schwitzen und handeln ja auch nur auf Anordnung ihrer Vorgesetzten (bzw. der Stadt). Der eine oder andere Beamte wird sich seinen Teil denken, angesichts der seltsamen Situationen, die sich an diesen Blockupy-Tagen ergeben (an dieser Stelle übrigens meinen Dank an die nette Polizistin aus Niedersachsen, die mich desöfteren durch die Polizeikette rein- und rausgelassen hat!).
Später verliess ich das Gelände über den Römer. Und siehe da: Der ganze Platz war ebenfalls voll mit Menschen (gegen 15.30 Uhr) und Aktionen. Und die ersten Zelte wurden errichtet (die jedoch gegen 19 Uhr von den Einsatzkräften geräumt wurden)!
Einige Impressionen des Donnerstagnachmittages (zum Öffnen der Gallerie eines der Bilder doppelklicken):
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Kein Durchkommen mehr in der Kaiserstrasse
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Mobile Einsatzleiterin der Polizei oder doch nur verirrtes Muttchen? (Hauptbahnhof)
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Wenn Versammlungen verboten werden, wird halt ein spontaner ‚Speaker’s Corner‘ eingerichtet (Hauptbahnhof)
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So stellt sich Ordnungsdezernent Frank unsere Stadt nach vier Tagen Blockupy vor
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Kunstform des Okkupierens öffentlicher Plätze
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Buntgemischtes Volk und alle Altersgruppen auf dem Paulsplatz
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Occupy the trees!
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Beste Aussichten
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Polizei auf Einsatzbefehl wartend
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Einsatzgruppe im Anmarsch
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Kurz vor dem richtigen Kessel
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Was soll das denn?
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Live-Stream direkt vom Paulsplatz
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Trotz Verbot: Zahlreiche Plakate und Banner
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Die Paulskirche – Frankfurter Symbol für Demokratie
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Konstantin Wecker am Paulsplatz
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Big brother is watching you
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„Wir sind friedlich, was seid Ihr?“
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Eine „Wir-sind-alle-Nana-Mouskouri“-Männergesangstruppe am Römer
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Die ersten Zelte vor dem Römer
Morgen dann: Blockupy – Tag 3. Die grosse Blockade-Aktion (auch wieder untersagt)! Ich werde darüber berichten, wie ich mich als Teil der kapitalismusstützenden PR- und Marketingbranche selbst vor dem Betreten des Arbeitsplatzes hindere!
* Ein Human-Mic (menschliches Mikrofon) ist die Alternative zur Beschallungsanlage oder dem Megaphon und funktioniert wie folgt: Der Sprecher teilt seine Rede in kurze Sätze oder Passagen ein und pausiert jeweils nach diesen Abschnitten. Die näherstehenden Zuhörer wiederholen die Worte des Redners laut im Chor, so dass auch entferntere Anwesende den Wortlaut der Rede verfolgen können. Dann setzt der Sprecher seine Rede fort. Einfach und effizient!